<102> dem Bemühen Flemmings, seines Ministers und Generals, dem Anrücken seiner Truppen und seinen Geschenken, die wirksamer waren als die großartigen Versprechungen des Kardinals Polignac. Der neue König von Polen hatte sich durch seine Ausgaben derart erschöpft, daß er genötigt war, die Gerichtsbarkeit der Abtei Quedlinburg und des Amtes Petersberg bei Halle an Friedrich III. zu verkaufen (1698).

Der Kurfürst benutzte die Unruhen in Polen und bemächtigte sich Elbings, um sich für eine Summe, die ihm die Polen schuldeten, schadlos zu halten1. Es kam zu einem Vergleich, wonach die Polen ihm eine Krone und Reichskleinodien verpfändeten, die noch heute in Königsberg aufbewahrt werden. Hierauf ließ der Kurfürst die Stadt räumen, behielt aber unter Zustimmung der Republik das Gebiet von Elbing in Besitz.

Im Anfang des 18. Jahrhunderts wurde Europa alsbald von neuen Kriegswirren erschüttert. König Karl II. von Spanien starb (1700), und um seine Nachfolge entspann sich der Kampf. Die Häuser Bourbon und Österreich machten sie einander streitig.

Es war wohl versucht worden, den blutigen Kriegen vorzubeugen, zu denen diese Erbfolge Anlaß geben sollte. Ludwig XIV. hatte einen Teilungsvertrag mit den Seemächten vereinbart2. Karl II., den diese Abmachung empörte, hatte durch ein Testament den jungen Kurprinzen von Bayern3, seinen Großneffen, zum Erben all seiner Staaten eingesetzt. Aber alle Hoffnungen wurden zunichte: der Prinz von Bayern starb. Ein zweiter Teilungsvertrag wurde geschlossen4, der ebensowenig zur Ausführung kam wie der erste. Europas Schicksal stand auf Krieg.

Der Kaiser erhob Einspruch gegen jegliche Teilung. Er trat für die Unteilbarkeit der spanischen Monarchie ein und behauptete, da es sich um ein und dasselbe Herrscherhaus handle, das in zwei Linien geteilt sei, so hätten beide das Recht, einander nachzufolgen, die spanische Linie der österreichischen und die österreichische der spanischen. Kaiser Leopold und Ludwig XIV. standen im selben Grad der Verwandtschaft zum spanischen Königshaus. Beide waren Enkel Philipps III., und beide hatten Töchter Philipps IV. geheiratet. Das Recht der Erstgeburt war beim Haus Bourbon. Ludwig XIV. stützte seine Rechtsansprüche hauptsächlich auf das berüchtigte Testament Karls II., das der Kardinal Porto Carrero und sein Beichtvater ihn unterzeichnen ließen, als seine Hand schon im Todeskampf bebte5. Dies Testament veränderte das Antlitz Europas.


1 Elbing (vgl. S. 64) war zwar 1657 von den Polen abgetreten, aber nicht ausgeliefert worden. Die Besetzung erfolgte 1698. Durch einen Vergleich wurde 1700 die 1657 vorbehaltene Rückkaufssumme auf 300 000 Taler ermäßigt und die Stadt gegen einige Pfänder den Polen zurückgegeben. Das Gebiet von Elbing wurde jedoch, wie im Vergleich ausgemacht war, 1704 von neuem besetzt, da die Polen die Summe nicht bezahlten.

2 Geschlossen im Haag am 11. Oktober 1698.

3 Joseph Ferdinand († 1699).

4 März 1700 zwischen Frankreich und den Seemächten.

5 In dem am 3. Oktober 1700 unterzeichneten Testament setzte Karl II. den zweiten Sohn des französischen Dauphins, Herzog Philipp von Anjou, zum Erben ein. Am 1. November starb der König.